Was regt ihr Euch denn auf?


Was regt Ihr Euch denn auf... diese Frage, eigentlich ein Vorwurf, wird immer wieder denen gestellt, die im Internet aktiv sind, aber sich gegen die geheimdienstliche Überwachung empören.

Der Vorwurf bezieht sich darauf, daß wir facebook und Google nutzen, Twitter und Skype. Er bezieht sich darauf, daß die Global Player unsere Daten auswerten. Wir wären doch selber schuld, wenn wir schon dadurch unsere Privatsphäre aufgeben. Und deshalb hätten wir kein Recht auf Privatsphäre; wir hätten dieses Recht verwirkt.

Haben wir das wirklich? Ich sage nein.

Der Vorwurf zeugt von einem gepflegten Halbwissen gepaart mit der Arroganz der selbsternannten Moralwächter.

Bei allen diesen Diensten kann ich selbst bestimmen, wieviel ich von mir preisgebe. Ich bestimme, welche Daten facebook nutzen darf. Ich kann auch ein Account anlegen, das mit meinem wirklichen Leben, meinem realen Ich, nicht das geringste zu tun hat. Ich kann über Privacy Settings, Adblocker und andere Maßnahmen die Sammelwut der Firmen aushebeln und meine Privatsphäre schützen. Und das wichtigste: Ich bestimme, was ich überhaupt poste. Ich würde beispielsweise niemals etwas, das ich als wirklich privat erachte, auf einer solchen Plattform verbreiten.

Ich könnte es aber beispielsweise einer guten Freundin als email schicken oder mit ihr über Skype diskutieren.

Und da ist der Unterschied: Die Geheimdienste greifen, ohne mein Wissen und meine Zustimmung, diese private email ab. Sie hören mit ohne meine Erlaubnis. Damit dringen sie aktiv in mein Privatleben ein, während alle Internetdienste zunächst einmal passiv sind. Dort habe ich die Kontrolle, was ich öffentlich mache. Skype interessiert nicht, worüber ich mit meiner Freundin spreche. Nicht so bei staatlicher Überwachung. Alles wird verdachtsunabhängig gespeichert, alles ist erst einmal von Interesse. Genausogut könnten NSA, BND und GCHQ eine Kamera in meinem Schlafzimmer installieren oder mein Telefon verwanzen.

Nein, Dienste wie facebook, twitter, Skype, Youtube, google zu nutzen bedeutet nicht, daß man sein Recht auf Privatsphäre aufgibt. Wir geben dort nur das von uns preis, was wir wollen. Wieviel das ist, entscheidet jeder für sich selbst. Der Staat hingegen will uns die Privatsphäre nehmen - ohne unser Zutun, unsere Entscheidung, unseren Willen.

Also fragt nicht "Was regt Ihr Euch denn auf?", sondern regt euch auf über das Mißtrauen der Politiker gegenüber den eigenen Bürgern. Wenn ihr schon den moralischen Zeigefinger heben müßt, dann bitte bei den Tätern, die in Regierungen und Geheimdiensten sitzen. Bei den Lügnern, die durch Abwiegelung und Aussitzen versuchen, sich aus der Situation der Entlarvung herauszuwinden. Laßt euch nicht ablenken. Laßt euch nicht ruhigstellen. Eure Privatsphäre ist auch zerstört. Oder denkt ihr, nur wir Internetaffinen würden abgehört? Tut mir leid, aber das ist eine Illusion.
Big Brother is watching you too!

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